Digitalisierung braucht Verantwortung
Der Theologe Wolfgang Huber sagt beim Arbeitgeberband, was er über den Wandel der Wirtschaft denkt
Von Oliver Stade
Goslar. Tief beeindruckt sei er, sagte Torsten Janßen, Vorsitzender des Allgemeinen Arbeitgeberverbandes Harz. Zuvor hatte der Theologe Wolfgang Huber auf Einladung des Verbandes vor rund 450 Gästen in der Kaiserpfalz Goslar über die viel beschworene Digitalisierung der Wirtschaft gesprochen. Eine Entwicklung, die "verantwortungsbewusste Unternehmer" benötige.
Aber wie sieht ein verantwortungsbewusster Unternehmer aus? Der Kirchenmann zitierte eine überraschende Liste von Konzernlenkern und Wirtschaftsgrößen, die mittlerweile ein bedingungsloses Grundeinkommen für die Verlierer des digitalen Wandels fordern.
Am Menschen orientiert
Unter dem Schlagwort "Wirtschaft 4.0" werden die Folgen der zunehmenden digitalen Veränderung der Arbeitswelt derzeit allenthalben diskutiert. Huber (74), der von 1994 bis 2009 Bischof der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg und Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche in Deutschland war, sprach am Montagabend bei den Arbeitgebern. Er hatte zu dem Thema erwartungsgemäß eine ethisch grundierte Botschaft formuliert: Der technische Fortschritt, zumal der digitale, müsse begleitet und abgefedert werden. Die Menschen, die ihre Arbeitsplätze verlieren oder deren Jobs sich verändern, müssten mitgenommen werden.
Huber, ein gefragter Berater und großer Rhetoriker, sagte: "Eine solche Umverteilungsgerechtigkeit reicht nicht." Er plädiert für eine "Verteilungsgerechtigkeit", damit meint er: "Dass die Menschen ihre Fähigkeiten und Gaben einbringen können." Huber wünscht sich eine wettbewerbsorientierte Wirtschaft, die auch "menschenorientiert" ist. Aus seinem moralisch gefärbten Standpunkt und der pragmatisch-politischen Haltung von Armin Willingmann hätte sich eine spannende Diskussion entwickeln können. Jurist Willingmann ist Wirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt und mit seinem Ressort auch zuständig für die Digitalisierung des Landes. Als Rektor der Hochschule Harz in Wernigerode arbeitete er zuvor in der Ein-Harz-Initiative mit, in der sich auch der Arbeitgeberverband mit Geschäftsführerin Anja Mertelsmann engagiert. Der Sozialdemokrat sagte, die Bedrohung von Arbeitsplätzen durch Digitalisierung sei eine "sehr einseitige Sicht". Er sehe den Prozess "mehr als Chance, denn als Risiko". Aus Unternehmen wisse er, dass die Digitalisierung überwiegend noch mit dem Blick auf den Breitbandausbau betrachtet werde. "Als Thema oder Bedrohung wird sie noch nicht gesehen", sagte er.
Der Minister musste das Jahrestreffen vorzeitig verlassen, weil er in einer Podiumsdiskussion gefragt war, um die vielfach als wackelig empfundene schwarz-rot-grüne Kenia-Koalition in Magdeburg zu verteidigen.
Hubers Nachdenken über die Digitalisierung beginnt bereits bei der Sprache. Seine Anmerkung dazu ist in der Auto-Region besonders lehrreich. Der Begriff vom "autonomen Auto" für selbststeuernde Fahrzeuge erscheint ihm mindestens abwegig. Was macht ein solches Auto, wenn am Straßenrand eine Seniorin steht, die mit ihrem Kopf nickt und nickt und nickt? Um eine solche Situation zu erfassen, brauche es Einfühlungsvermögen und richtige Autonomie. Autonomie bedeute aber, "das eigene Leben so zu führen, dass es anderen zugute kommt". Huber sagte: "Ich mache mir Sorgen um unser Menschenbild, wenn ein Begriff wie Autonomie auf Maschinen übertragen wird."