Vom AGV-Vorstandsvorsitzenden Ulrich Weiterer (siehe auch Bericht unten) und Oberbürgermeister Dr. Otmar Hesse mit einem ganzen Strauß Vorschusslorbeeren bedacht ("eloquenter Redner, der höchsten Ansprüchen genügt"), erfüllte Westerwelle in der voll besetzten aula regis die Erwartungen seiner Zuhörer, ohne zu wahren Beifallsstürmen hinzureißen. Liberale Grundpositionen in kernige Sätze verpackt - der FDP-Chef spulte routiniert sein Programm ab und sprach an vielen Stellen den Unternehmern im Saal aus der Seele.
Den Geist der Gründerzeit-Phase nach dem Krieg und des anschließenden Wirtschaftswunders beschwor Westerwelle, als die Freiheit noch vor der Gleichheit gestanden und die erste Frage stets gelautet habe: "Wie kann etwas erwirtschaftet werden?" Mit den 68-ern habe ein grundlegender Mentalitätswandel in der Bundesrepublik Einzug gehalten: Von der Leistungs- zur Umverteilungsgerechtigkeit.
"Sozial und gerecht ist, was der Wirtschaft hilft und Arbeitsplätze schafft." Mit der oft zitierten Formel markierte Westerwelle die erhoffte Umkehr. Zwar sei die "Lage noch schlechter als die Stimmung", aber, so Westerwelle, "wir stehen vor einer neuen Gründerzeit" - wenn das Bewusstsein greife, dass es auf Wissen, Fleiß, Talent und Disziplin als deutsche Rohstoffe ankomme.
"Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit", "nichts ist so schnell weg wie der Vorsprung", "früher gingen junge Menschen ins Ausland, um auszusteigen, heute gehen sie, um einzusteigen" - Westerwelle analysierte schonungslos, erinnerte an die "Rück-Rede" von Ex-Präsident Roman Herzog und nahm die Reformen der Bundesregierung aufs Korn.
Eigene Rezepte? Ein international wettbewerbsfähiges Steuer- und Abgabensystem, radikal entrümpelt und quasi neu geschaffen, sowie der Abbau von Subventionen ("unangenehme Wahrheiten nicht verschweigen"). Von buchhalterischer zu dynamischer Wirtschaftspolitik, die tatsächliche Lebensarbeitszeit als Renten-Grundlage, Abkehr von der "Planwirtschaft" im Gesundheitssystem (freie Wahl der Kassen mit erhöhtem Eigenanteil), hin zum belebenden Wettbewerb im Bildungssystem - Kritik an den von oben gelenkten Hochschulvorhaben der Regering: "Sol stellt sich der kleine Marxist Elite-Unis vor." Alles in allem gelte es, den "Kulturkampf" zu bestehen, der vom Denken der Neidgesellschaft hin zur Anerkennungsgesellschaft führen müsse. fh
"Regionaler Handlungsbedarf ist erkannt"
AGV-Vorstandsvorsitzender Ulrich Weiterer blickte auf die EU-Erweiterung
Goslar. Die Unternehmen der Region werden in der Mehrzahl den erhöhten Wettbewerbsdruck spüren, der durch den EU-Beitritt von zehn weiteren Ländern zum 1. Mai entsteht. Diese Überzeugung vertrat der frisch im Amt bestätigte Vorstandsvorsitzende des Allgemeinen Arbeitgeberverbandes Harz, Ulrich Weiterer, bei der Jahresveranstaltung in der Pfalz (siehe Bericht oben).
Es sei außerdem ein neues Fördergefälle zu befürchten, das die Zuschüsse in die teils bitterarmen Beitrittsländer lenke. Die Mittel, die bislang in den Harz flössen, seien nicht gesichert. Der regionale Handlungsbedarf sei aber erkannt, sagte Weiterer, und nannte unter anderem das Projekt Region Braunschweig, dessen Konturen zwar noch unscharf seien, das aber in die richtige Richtung ziele. Weiterer appellierte an die Politik, stimmige Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft zu schaffen, sich bei Steuer- und Sozialgesetzgebung auf Reformen zu verständigen und für einen fairen Umgang aller Beteiligten zu sorgen - mit dem Ziel, eine europäische Identität zu entwickeln. Positiver Streif am Horizont: Die Weltkonjunktur ziehe an, aber letztlich komme es auf die Binnennachfragen an. Bislang herrsche Zurückhaltung, hatte Weitere5r eine Schnäppchenjäger-Mentalität im Visier. Auch hier sei Politik gefragt: "Der Mensch will das Vertrauen, dass er sich wieder etwas leisten kann und darf." fh